Heute war ich in der Ausstellung des Fotografen Roger Ballen in der Galerie Westlicht. Weiterempfehlen kann ich sie vor allem denen, die interessiert sind menschenverachtende Fotografie in technischer Perfektion anzuschauen.
Der zeitgenössische Künstler fotografiert provokant die armen, von der Apartheit isolierten Viertel der weißen Bevölkerung Südafrikas. Seine mildesten Bilder erinnern an die Fotografin Diane Arbus, die selbst skurrile Charaktere porträtierte. Außer dem gemeinsamen Sujet unterscheiden sich die beiden Fotografen jedoch grundsätzlich in der bildsprachlich vermittelten Haltung gegenüber den fotografierten Personen.
Diane Arbus schafft es Menschen von unüblichen Größen und mit verrückten Ausdrücken, Zirkusartisten, Travestieten, geistig schwerst behinderte Menschen und kriegsbegeisterte Jugendliche mit sanftem Humor und ethnografischem Respekt als Individuen darzustellen. Ihr fotojournalistisches Werk ist fast ein Plädoyer für die menschliche Diversität.
Der in Psychologie promovierte Künstler Roger Ballen hingegen verwendet das Medium an der Grenze zwischen Dokumentation und Fiktion. Seine gezeigten Charaktere bringen das Groteske und Abscheulichste hervor, das man sich abseits der Kriegsfotografie vorstellen kann. Kaum eine Figur verfügt über 2 Augen, die in der selben Richtung blicken. Kaum ein Raum ist nicht von Müll bedeckt. "Menschlich" sind hingegen vor allem die Tiere seiner Bildwelt: besonders viele Welpen, Katzen und Mäuse sorgen für die unerwartete Liebenswürdigkeit, die bildlich immer im Kontrast zu Gewalt, Schmutz und schwerste Armut positioniert wird.
Es ist mir nicht klar warum Ballens Darstellungen dermaßen menschenunwürdig gestaltet sind. Man hat als Fotograf eine große Ehre in dem Leben fremder Menschen Zugang zu bekommen. Dieses Geschenk sollte man umso mehr schätzen, je gebrechlicher und sozial benachteiligter die Menschen sind, deren Vertrauen man gewonnen hat. Die Fotokamera ist ein ernsthaftes Machtinstrument. Roger Ballen ist das ganz bewusst. Er verwendet die Kunst als Provokation und schafft es hervorragend. Seine Fotografie wird international als kontrovers angesehen und wurde von seinen Kritikern als "voyeuristic freak show" bezeichnet. Die großartige Susan Sontag beschreibt sein Fotobuch jedoch als "the most important sequence of portraits I've seen in years."
Die Ausstellung ist noch bis zum 28. April im Westlicht zu sehen.
Interview mit Roger Ballen. Website von Roger Ballen. Website von Diane Arbus.
Auswahl an Fotografien von Roger Ballen:


